Texter-ABC oder: Freier die Definitionen nie waren.

Alliteration

An allen Ecken und Enden [AAEE]. Durch dick und dünn [DDD]. Freude am Fahren [FF]. Lidl lohnt sich [LL]. Fisherman’s Friend [FF]. Nigelnagelneu [NNN]. Je lustvoller, desto einprägsamer ist die Wiederholung des Anfangsbuchstabens oder des Anfangslautes in aufeinanderfolgenden Wörtern oder einem Compositum.

Anzeige

Vulgo, was der nächste Polizeiposten entgegennimmt, in der Werbebranche allerdings ganz einfach ein Inserat, nur klingt Anzeige professioneller.

Assonanz

Geben und Nehmen [EE-EE]. Da weiss man, was man hat [A-AAAA]. Toblerone [OEOE]. Geiz ist geil [Ei-Ei]. Vokalische Anklänge (Assonanzen) über einen starken Reiz aus. Viele Markennamen, Claims und Headlines können nicht ohne.

Ausrufezeichen

Nichts wirkt so aufdringlich wie das Ausrufezeichen («!»). Der professionelle Texter vermeidet es in Headlines. (Aber keine Regel ohne Ausnahme.)

Authentizität

Der schwammigste aller Marketingbegriffe. Noch keine Definition vermochte seine intuitiv zugängliche Bedeutung überzeugend zu fassen. Authentizität ist nicht verfügbar. Eher berühren sich zwei Parallen. Darüber waren sich kluge Köpfe schon immer im Klaren, wie folgendes Zitat von Witold Gombrowicz belegen mag.

Er schrieb anno 1967: «In der Zeit meiner künstlerischen Anfänge, um 1930, wurde vom Menschen vor allem verlangt, authentisch zu sein. Authentisch, und mit Wahrheiten und Idealen ausgerüstet, mit denen er sich völlig zu identifizieren und denen er sogar sein Leben zu opfern hatte… Nun, ich erinnere mich, dass ich schon als kleiner Steppke wusste – spontan und ahnungsweise wusste –, dass man gar nicht ‹authentisch› oder ‹bestimmt› sein kann.»

(Witold Gombrowicz: Ges. Werke, Frankfurt a.M. 1998, Band 13, S. 247)

Brand

Wenn nicht in der Zuständigkeit der Feuerwehr, eine Marke. Bei Zusammensetzungen sollte man darauf achten, den Brand nur mit englischen Begriffen zu koppeln wie in «Brand Design», «Brand Experience» oder «Brand Authenticity». Verbunden mit einem deutschen Begriff, kann sich die Wirkung unfreiwilliger Komik einstellen. So habe ich auf der Visitenkarte des Kommunikationschefs eines grossen helvetischen Versicherers einmal tatsächlich «Brand Kommunikation» gelesen.

Byline

Es gibt ehrbare Gründe, einem Markennamen zwei, drei Begriffe hinzuzufügen, die ihn spezifizieren. Wie zum Beispiel dem klangvollen, aber im Prinzip mehrdeutigen Namen «Pro Helvetia» die erläuternde Byline «Schweizer Kulturstiftung».

Bylines sind rein informative Ergänzungen und häufig obligatorischer Teil des Logos. Beides im Unterschied zu Claims, die sich vom Logo lösen können und deren Stärke darin liegt, emotional zu kommunizieren.

Claim

Markenslogan. Das in wenige, merkfähige Wörter gegossene Markenversprechen.

Content

Das einzig Königliche an einer Website, nämlich deren Texte. «Content is king» meint, dass eine Website umso mehr Erfolg habe, je mehr nützliche Textinhalte sie biete.

Copy

Ganz allgemein Text. Speziell die zwei, drei oder mehr Sätze unterhalb einer Headline, die diese ausführen, vertiefen, konkretisieren usw.

Copytext

Bildungsferner Pleonasmus, denn englisch «copy» heisst schon Text, wie in «copywriter» (Texter).

Corporate Language

Wenn die SBB in der Medienberichterstattung irgendwohin fährt (statt fahren) oder zig Millionen in Bahnhöfe investiert (statt investieren), dann hat die Corporate Language der Schweizerischen Bundesbahnen ganze Arbeit geleistet, nämlich gegen Sinn und Sprachgefühl den Singular «die Schweizerische Bundesbahn» (statt Bahnen) in die Köpfe bekommen. Das sollte allen zu denken geben, die den Sprachteil der Corporate Identity vernachlässigen.

Dativ-E

«Gegenwärtig stirbt das Dativ-E», schrieb der kürzlich verstorbene Sprachpapst Wolf Schneider im Jahre 1986 und behauptete, nur noch die ältere Generation schreibe «im Laufe der Zeit» (Wolf Schneider: Wörter machen Leute, München 1986, S. 46).

Allerdings gilt auch hier: Totgesagte leben länger. So strotzt das Dativ-E förmlich vor Leben in zig Wortverbindungen wie «zu Hause», «nach Hause», «im Grunde genommen», «in diesem Sinne», «auf dem Wege» (der Besserung), «im Falle» (langer Wartezeiten), «im Zuge» (der Enthüllungen), «im Lichte» (der neuen Erkenntnisse), «im Gange sein», «zu Werke gehen», «sich zu Gemüte führen», «zu Rate ziehen», «vom Winde verweht», «im Sande verlaufen», «zu Tode kommen» usw.

Ausserhalb solcher Fügungen mag das Dativ-E Seltenheitswert bekommen haben, aber das ist noch lange kein Grund, es zu Grabe zu tragen. Die zusätzliche Endsilbe ist prinzipiell nie fehl am Platze, wo Stil oder Sprachrhythmus sie erfordern – sofern der Texter die einschlägigen Anwendungsregeln kennt; die sind nämlich nicht ganz ohne.

Deppenapostroph

Der kleine Bruder des Gendersterns. Ein Apostroph, wo keines hingehört: «in’s», «um’s», «Anna’s Liebling’s-Snack’s».

Duktus

Ein Formalismus der Wiedererkennung: die Vereinheitlichung aller Kampagnensujets durch ein und dieselbe Headline-Anfangsphrase. Schönes Beispiel ist die mehrjährige Imagewerbung von Volg: «Aus Liebe zum Dorf, wo» der Turnverein dies, der Jodelchor das tut und so weiter in dem Duktus.

Füllworter

Gängige Stilrategeber erklären Füllwörtern den Krieg und liefern auch eine Anleitung, diese angeblichen Feinde guten Stils zu enttarnen: Könne man ein fragliches Wort streichen, ohne das sich die Aussage des Satzes verändere, solle man es als überflüssiges Füllwort streichen. So landen viele Wörter auf der Abschussliste: sehr, völlig, eigentlich, bekanntlich, nämlich, sozusagen, gewissermassen und dergleichen mehr.

Allein, ein Satz ist mehr als seine Aussage. Füllwörter färben ihn, verstärken ihn oder schwächen eine Aussage ab. Und manchmal verbessern sie schlicht und einfach den Satzrhythmus. Auch Füllmaterial hat eine Funktion.

Gendern

Die penetrante Sexualisierung der Sprache durch Satz- oder Sonderzeichen, wo keine hingehören. Gendersterne und dergleichen behindern das Lesen und verunstalten das Schriftbild. Es gibt keinen vernünftigen Grund, die bewährten Doppelformen oder noch sanftere Methoden, alle zu nennen und niemanden auszuschliessen, einer Umerziehungsideologie zu opfern.

Headline

Abkömmling des Aphorismus, einer literarischen Kurzform mit langer Tradition, erfunden von Heraklit im alten Griechenland und Laotse im ebenso alten China, weiterentwickelt von klugen Köpfen wie Georg Friedrich Lichtenberg («Sudelbücher»), Jules Renard («Journal») oder Stanisław Jerzy Lec («Unfrisierte Gedanken»).

Texter können von den Aphoristikern viel lernen. Denn das Handwerk ist hüben und drüben dasselbe: Verkürzung, Zuspitzung, Verblüffung.

Helvetismen

Wer sich hierzulande um die Usanzen des schweizerischen Deutsch foutiert, kann schnell mit abgesägten Hosen dastehen, wie vor Jahren Coop, die feines Fleisch zum Grillen (statt Grillieren) anpries. Unter dem Gespött der Medien musste die Marketingabteilung handkehrum zurückbuchstabieren.

(Dieser Eintrag enthält sechs Helvetismen.)

Kalauer

Oberflächliches Wortspiel, billiger Witz. Zum Beispiel: «Egal, wie dicht du bist, Goethe war Dichter.» Kalauer haben in der Kommunikation keine grosse Bedeutung.

Kreativ

Neu.

Kreativität

Das Gegenteil von Wiederholung, aber auch von Originalitätshascherei. Kreativität ist schlicht und einfach das Vermögen, etwas Neues zu schaffen und dabei die Spuren zu den verwendeten Quellen zu verwischen.

Leporello

Prospekt mit Zickzack- oder Handorgelfalz. Spannender ist die Etymologie: Der Ausdruck geht zurück auf die Opernfigur Leporello, den Diener von Don Giovanni in der gleichnamigen Mozart-Oper. Leporello entfaltet auf der Bühne ostentativ eine lange Liste der Liebschaften seines Herrn.

Mailing

Das geschickteste Kommunikationsmittel.

Publireportage

Gewerbsmässig vorgetäuschter Journalismus. Auch wenn einem im Augenblick des Lesens klar ist, dass es sich um Werbung in redaktioneller Aufmachung handelt, verwischen sich in der Erinnerung die Grenzen zwischen redaktionellem Beitrag und Werbung.

Räumlichkeiten

Spreizvokabel der Immobilienwerbung. Wann kommen die Zimmerlichkeiten? Wer eine Wohnung sucht, sucht Räume, keine abstrakten Räumlichkeiten in überkandidelten Baukörpern (noch so ein Snobismus).

Rechtschreibreform

Grandioses deutsches Pfuschwerk mit unzähligen Denkfehlern, Fake-Etymologien («aufwändig», «behände», «belämmert»), Inkonsequenzen («der Zweite von rechts», aber «die zwei nebenan») und anderen Absonderlichkeiten. Gottlob haben mehrere Revisionen die ärgsten Reformdummheiten rückgängig gemacht, aber die Aufweichung der Kommaregeln und viele neue Unsicherheiten (gross oder klein? getrennt oder zusammen?) haben das Schreiben und Lesen deutschsprachiger Texte keineswegs vereinfacht, im Gegenteil.

Satzlänge

Was ein Text variieren soll. Nichts wirkt kurzatmiger als eine Abfolge kurzer Sätze. Kurze Sätze sind gut. Kurze Sätze sind verständlich. Aber kurze Sätze allein machen noch keine guten Texte. Lebendige Texte schöpfen Dynamik aus dem Wechsel von kurzen und längeren Sätzen.

SEO

Suchmaschinenoptimierung. Kaum etwas, worüber man sich speziell den Kopf zerbrechen brauchte. Wer für User interessante Texte schreibt, schreibt automatisch suchmaschinenoptimiert. Das ist jedenfalls die einhellige Expertenmeinung.

Storytelling

Erfunden von Zhuangzi, der im vierten Jahrhundert vor Christus die Lehren des Daoismus in unzählige Anekdoten, Metaphern und Gleichnisse einkleidete. Würde Storytelling so häufig praktiziert, wie davon in Kommunikation und Marketing die Rede ist, würden uns die Ohren davon dröhnen. Aber in Tat und Wahrheit ist Storytelling Mangelware.

Sujet

Wenn nicht an der Basler Fasnacht unterwegs, schlicht und ergreifend das Einzelmotiv einer Serie von Werbemitteln (Anzeigen, Plakaten).

Teaserwerbung

Erfunden vom Dresdner Unternehmer Karl August Lingner (1861–1916), der 1893 für die damalige Unsumme von einer Million Reichsmark in allen grossen Zeitungen Anzeigen drucken liess mit dem Wort «Odol». Die Neugier war enorm. Tage später folgte die Auflösung: «Odol, absolut bestes Mundwasser der Welt.» Der Rest ist Geschichte.

Texter

Gemäss dem Ex-Texter Frédéric Beigbeder («99 francs», Paris 2000) ein Verfasser von Aphorismen, die sich verkaufen.

Tonalität

Der Sound eines Textes, die Atmosphäre, die er ausstrahlt. Sollte in einem Briefing nicht fehlen.

USP

Unique selling proposition. Unausrottbare Imponiervokabel aus der Mottenkiste des amerikanischen Marketings der 1940er Jahre. Die Suche nach einem «Alleinstellungsmerkmal» führt selten zum Ziel. Plan B zum USP liegt darin, sich mit zwei, drei Merkmalen zu begnügen, die zwar nicht alleinstellen, aber doch auszeichnen.

Wiedererkennung

Der Züri-Sack hat einen Wiedererkennungswert von 100%. Trotzdem ist darin nur Güsel.

Wortspiel

Angeblich eine Spezialität des Texters. Mag sein. Aber kommunikativ wertvoller sind Gedankenspiele. Merke: Kein Wortspiel ohne Gedankenspiel.